Österreichische Unternehmen und Behörden investieren viel Zeit und Geld in Systeme und Beratung zur Verhinderung von Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung. Aber wie effizient ist die Geldwäschebekämpfung in Österreich? Die Transparency International Austrian Chapter versammelte Experten zu einer Diskussion rund um die praktische Umsetzung der AML-Maßnahmen.

Seit ich nicht mehr bei der Geldwäschemeldestelle arbeite und aus einer anderen Perspektive mit Meldepflichtigen aus unterschiedlichen Bereichen spreche (und offen gestanden auch viel genauer, oder jedenfalls anders, hinhöre) habe ich festgestellt, dass das Regelwerk zur Bekämpfung und Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung von der breiten Masse der Verpflichteten mit weit weniger Begeisterung aufgenommen wird, als man sich das vielleicht als Behörde wünschen oder vorstellen würde.

Eine durchschnittliche österreichische Bank etwa, investiert jährlich Millionen in den Betrieb und Weiterentwicklung ihrer Compliance-Systeme. Nicht zuletzt wegen der bestehenden Regelungen zur Bekämpfung und Verhinderung von Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung. Allerdings ist im Sektor der Meldepflichtigen eine zunehmende Frustration zu spüren: Die Verurteilungen in der erwarteten Höhe bleiben aus, das Feedback der Behörden nach Abgabe einer Meldung ist überschaubar und wenn es ganz hart kommt, kommt es sogar zu einer verwaltungsrechtlichen Verfolgung wegen Nichteinhaltung der Sorgfaltsverpflichtungen.

Dieses und andere Themen standen im Fokus der von Transparency International Austrian Chapter organisierten Podiumsdiskussion zum Thema: „Geldwäscheprävention am Finanzmarkt – Überregulierung oder gezielte Geldwäschebekämpfung“. Am Podium diskutierten dabei Behördenvertreter, wie die stellvertretende Leiterin der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, Mag. Beatrix Winkler, aber auch der Leiter der Abteilung zur Prävention von Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung bei der FMA, Dr. Christoph Kodada und der für die Umsetzung der 4. EU-Geldwäsche-Richtlinie zuständige Legist des BMF, Mag. Alexander Peschetz. Der Privatsektor war durch Dr. Christoph Lehner, Head of Group Compliance bei der Raiffeisen Bank International AG vertreten. Der Investigativjournalist Boris Gröndahl von Bloomberg Newsroom brachte internationale Sichtweisen in die Diskussion ein. Moderiert wurde die Veranstaltung von der Rechtsanwältin Dr. Bettina Hörtner.

Sind die in Österreich getroffenen Maßnahmen zielführend oder ist eine Kursänderung erforderlich?

Die Diskussion war äußerst interessant und drehte sich um eine zentrale Frage: sind die derzeit getroffenen Maßnahmen überhaupt zielführend? Oder sollte Österreich eine Kursänderung in Erwägung ziehen, um effizienter zu werden? Die derzeitigen Zahlen die am Tisch liegen, warfen jedenfalls bei der FATF Prüfung im Jahr 2015 Fragen auf. Und auch aus persönlicher Erfahrung kann ich sagen, dass die Effizienz des Systems immer wieder von Meldepflichtigen hinterfragt wird. Auslöser dafür ist, wie so oft, die Statistik: Laut Jahresbericht der Geldwäschemeldestelle kam es bei knapp 3000 Verdachtsmeldungen im Jahr 2017 zu 56 rechtskräftigen Verurteilungen. Doch wie Dr. Kodada gestern sagte: „Prävention kann nicht in Zahlen gemessen werden“.

Scharfe Kritik wurde vor allem Seitens der Praktiker am formalistischen Ansatz der Aufsicht geübt. In der Vergangenheit, so Lehner, sei es immer wieder vorgekommen, dass Verfahren wegen fehlender Einzelunterlagen eingeleitet wurden. Geldwäsche würde so nicht erkannt werden, ist sich Lehner sicher. Die Banken konzentrieren sich aus diesem Grund nur noch auf die Abarbeitung von Checklisten anstatt Sachverhalte in ihrer Gesamtheit zu würdigen.

Die Schwerpunkte der FMA liegen seit einigen Jahren in der Bewusstseinsschaffung und im praktischen Bereich: Mängel sollen so rasch wie möglich behoben werden, wenn möglich bereits während der Vor-Ort-Prüfung.
Dr. Christoph Kodada, FMA

Bei der FMA ist man bereits vor längerer Zeit von einem formalistischen Ansatz weggegangen, sagt Dr. Kodada. Die Schwerpunkte liegen im praktischen Bereich: Mängel sollen so rasch wie möglich behoben werden. Oft passiert das sogar noch im Laufe der Vor-Ort-Prüfung, so Kodada weiter. Wichtig ist die Bewusstseinschaffung. Eine Bestrafung findet in erster Linie nur in jenen Fällen statt, in denen Verstöße schwerwiegend, wiederholt und systematisch stattfinden.

In jenen Fällen, in denen eine gewisse Überregulierung durch den (europäischen) Gesetzgeber vorgenommen wurde, können wir als Aufsicht nur versuchen, durch praxisgerechte Auslegung und enge Abstimmung mit den beaufsichtigten Unternehmen eine sinnvolle und effektive Anwendung der Regeln zu ermöglichen. So erfolgt das derzeit beispielsweise gerade bei der Erstellung der neuen FMA-Rundschreiben, rundet Dr. Kodada sein Statement ab.

Folgt man dem risikoorientierten Ansatz, ist keine abschließende Regelung aller möglichen Sachverhalte erforderlich. Das ermöglicht Flexibilität, geht aber auf Kosten der Rechtssicherheit.
Mag. Alexander Peschetz, BMF

Mag. Peschetz, der Legist des BMF ist mit der Gesetzeslage, indbesondere der Flexibilität die den Mitgliedstaaten bei der Umsetzung eingeräumt wurde, zufrieden. Somit konnten viele nationale Besonderheiten berücksichtigt werden und etwa im WiEReG bestehende Systeme genutzt werden. Mag. Peschetz sieht aber auch die Kehrseite flexibler Regelungen: „Folgt man dem risikoorientierten Ansatz, ist keine abschließende Regelung aller möglichen Sachverhalte erforderlich. Das ermöglicht Flexibilität, senkt aber gleichzeitig die Rechtssicherheit“, so Peschetz.

Flexibilität fordert auch der Bankensektor, vertreten durch Lehner. So ist der Wunsch nach regelmäßigem Austausch mit den Behörden aber auch untereinander gegeben. Momentan fehlt es an einem Rahmen, in dem man Fälle diskutieren und sich austauschen kann. Die derzeitige, quasi nicht vorhandene, Effizienz beim Transaktionsmonitoring ist frustrierend – nur ein Prozent der vom System erkannten Transaktionen führt zu weiteren Untersuchungen und davon wiederum nur ein geringer Anteil zu Verdachtsmeldungen, die meistens im Sande verlaufen. Lehner würde sich wünschen, dass die österreichischen Behörden mehr Mut zur Lücke zeigen und man neue Complianceansätze in einer „Sandbox“ ausprobieren kann, ohne sich sofort der Gefahr einer Bestrafung auszusetzen.

Die Geschäftsbeziehung zu beenden ist kein Allheilmittel.
Dr. Christoph Lehner, RBI AG

Kritische Worte gab es von Lehner auch über die Vorgaben des FM-GwG im Hinblick auf Korrespondenzbankbeziehungen. Sein Ansatz wäre es, den Banken dabei behilflich zu sein ihre Standards zu erhöhen anstatt die Geschäftsbeziehungen sofort zu beenden. „Wenn man nicht mit der Bank kooperiert, dann sucht sie sich andere Wege, das Geld zu transferieren. Das führt widerum zu Wildwuchs. Da ist es mir lieber, wenn mit einer kompetenten Großbank gearbeitet wird und das Monitoring zumindest indirekt stattfindet“, begründet Lehner diese Kritik.

Interessant war auch die Wahrnehmung des Investigativjournalisten Boris Gröndahl. Er sprach davon, dass Österreich sich über die Jahre hinweg einen nicht gerade positiven Ruf als Finanzplatz für Steuerhinterzieher und Investoren aus dem Osten erarbeitet hat. „Jeder kann sich an Fälle erinnern, wo Österreich schlecht ausgestiegen ist“, so Gröndahl. „Konstrukte wie das Bankgeheimnis, Privatstiftungen und anonyme Sparbücher seien seinerzeit eingerichtet worden, um auf dem Finanzmarkt wettbewerbsfähig zu sein“, führt er weiter aus. Das sei es auch, was man nach außen hin wahrnimmt. Die großen Veränderungen seit der letzten FATF Länderprüfung gehen auf diesem Hintergrund etwas unter.

Österreich hat sich über lange Zeit hinweg einen nicht gerade positiven Ruf als Finanzzentrum aufgebaut.
Boris Gröndahl, Bloomberg Newsroom

Im Hinblick auf die Effizienz der österreichischen Systeme schloß sich Gröndahl der Kritik von Lehner an. Es gäbe bei der Compliancetätigkeit überwiegend „Checkboxen-Tatbestände“. Darum sollte es aber nicht gehen. Dem stehen kaum Verurteilungen, Sicherstellungen und Ermittlungshandlungen gegenüber, so zumindest die Statistik der letzten Jahre im Geldwäsche-Jahresbericht. Dabei seien das zum Teil Fälle, wo der Hausverstand schon sagt, dass Einiges nicht stimmt. Leider sind die Ermittlungen häufig nicht besonders erfolgreich – zum Teil steht auch die Rechtsstaatlichkeit der Ermittlung im Weg.

Wie genau es dazu kommt und warum wenige Verurteilungen nicht selbstredend für mangelnde Effizienz stehen, erklärte die stellvertretende Leiterin der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, Mag. Beatrix Winkler. Als zentrale Elemente eines Geldwäscheverfahrens sind eine Vortat und bei Verwaltung von Vermögenswerten für Dritte auch die Wissentlichkeit erforderlich. Beide Elemente seien nur schwer zu beweisen, meint Winkler. Unter dem Strich sind erfolgreiche Geldwäscheverfahren nur dann möglich, wenn die Vortat in Österreich begangen wurde.

Insbesondere bei internationalen Sachverhalten, bei denen die Vortat im Ausland begangen wurde ist der Handlungsspielraum der österreichischen Behörden begrenzt. Besonders bei so genannten „Schurkenstaaten“ weiß man nie, ob die Vorwürfe gegen die Personen wirklich stimmen oder ob es sich um politische Verfolgung handelt. Hier wäre es hilfreich, wenn eine europäische Zentralinstitution als unabhängige Stelle alle Beweise würdigen und eine Entscheidung bezüglich der weiteren Strafverfolgung treffen würde.

Die Einrichtung einer europäischen Zentralinstitution, die beurteilt, ob die Beweise aus dem Ausland für die Einleitung eines Verfahrens genügen, wäre eine große Hilfe.
Mag. Beatrix Winkler, WKStA

Zusammenfassend waren sich die Experten einig, dass es einen weniger formalistischen Ansatz braucht, um Geldwäsche wirklich zu erkennen. Dabei sollten dennoch Regeln beachtet werden – so wurde unter anderem Kritik daran geäußert, dass für manche Meldeverpflichtete die Regeln die selben sind, allerdings nicht wirklich beachtet werden. Im Übrigen war dies auch ein zentraler Kritikpunkt der FATF: Während die Systeme bei Banken sehr streng und formalistisch umgesetzt wurden, gibt es noch immer einige Bereiche, etwa den Nicht-Finanz-Sektor, in denen AML-Compliance für ausgewählte Sparten immer noch ein Fremdwort ist.

Doch auch in diesen, früher weniger streng beaufsichtigten Bereichen kündigt sich durch die Umsetzung der 4. Geldwäscherichtlinie eine Änderung an: In vielen Sektoren sollen Prüfungen künftig durch eigens bestellte Prüfer intensiviert werden. Die Diskussionen im Rahmen der Aktualisierung der Nationalen Risikoanalyse werden auch einen positiven Beitrag bringen. „Wenn es dadurch gelingt, potentielle Geldwäscher vom österreichischen Markt fernzuhalten, hat man schon gewonnen – auch wenn es nur wenige Verurteilungen gibt,“ rundete Peschetz die Diskussion ab.

Fazit: Die allgemeine Tendenz zu weniger Formalismus ist, sofern sie wirklich gelebt wird, sehr ermutigend. Schafft man es in Österreich den Meldepflichtigen Mut zu geben, von der bloßen Checklisten-Abarbeitung wegzugehen und gleichzeitig etwas mehr Interpretationsspielraum im Einzelfall in die Geldwäscheprüfungen der Behörden einfließen zu lassen, kann das System davon nur profitieren. Der Wunsch nach einer Experten-Austauschplattform und auch die Aufforderung zu mehr Mut, ausgetretene Pfade zu verlassen können aus meiner Sicht nur unterstützt werden. Ob dieser Mut dann, vor allem Seitens der Behörden, auch aufgebracht kann? Ich hoffe es…

 

Von Elena Scherschneva

Elena Scherschneva war jahrelang im kriminalpolizeilichen Bereich mit der Bekämpfung von Geldwäsche betraut und leitete 5 Jahre die Geldwäschemeldestelle im Bundeskriminalamt. Seit 2018 widmet sie sich als Sachverständige und selbständige Unternehmensberaterin der Schulung und Beratung meldepflichtiger Berufsgruppen. Außerdem ist Sie als Expertin für internationale Organisationen tätig. Ihr Schwerpunkt ist es, Wissen über Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung praxisnah und verständlich zu vermitteln. www.scherschneva.at | office@scherschneva.at

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